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YASHICA 230 AF – Geteiltes Leid ist halbes Leid!

Juni 2023, ein herrlicher Sommertag. Ein warmer Wind weht und die Sonne steht tief. Lichttechnisch vielleicht nicht die einfachsten Voraussetzungen zum Fotografieren, aber mit der YASHICA 230 AF in der Hand und etwas Fernweh im Kopf besuche ich zusammen mit Silke unsere Golden Gate Bridge am Niederrhein.

 

 

Mit ihrer einzigartigen Stützweite von 500 Metern ist die Emmericher Rheinbrücke schon sehr beeindruckend und ganz nebenbei ist sie auch noch die längste Hängebrücke Deutschlands. Ganze, 803 Meter lang! Mit ihrer roten Farbe erinnert sie ein wenig an die aus San Francisco bekannte Golden Gate Bridge – und ja, auch ich habe Freunde aus San Francisco, die sich bei ihren Besuchen besonders freuen, wenn sie die „kleine Schwester“ und den Rhein vor Ort überqueren.

 

Hier ein Foto gemacht mit der Minolta 5000 im Januar 2024

 

Ich hingegen freue mich heute über die YASHICA 230 AF. Ist sie seit Einführung im Jahre 1987 doch die ewig stigmatisierte Spiegelreflexkamera. Sie ist ein richtiger Leidensträger –  in der Fotowelt unbeliebt und wenig anerkannt. Diese Situation hatte jedoch wenig mit ihrem technischen „Können“ gemeinsam. Vielmehr war es die „politische“ Veränderung im Hause YASHICA der diesen Fotoapparat bei Kunden zum „Buhmann“ machte. Dazu bedarf es aber einen etwas tieferen Einblick in die Firmen- und Entwicklungsgeschichte:

 

 

1972 wurde ein Kooperationsvertrag zwischen YASHIKA, Carl Zeiss und F.A. Porsche geschlossen, der die Entwicklung von Kameras unter dem Namen Contax mit einem Design von F.A. Porsche und Objektiven von Carl Zeiss zum Ziel hatte.

1974 wurde als erstes Ergebnis dieser Zusammenarbeit die Contax RTS (RTS steht dabei für „Real Time System“) vorgestellt. Die Spiegelreflexkameras von Contax und YASHICA bildeten durch die kompatibilität der Objektive und der Motorantriebe ein einheitliches System.

1975 übernimmt YASHICA das Bajonett der Contax RTS auch für die eigenen Kameras mit der FX-1

1983 wurde YASHICA von der Kyocera Corporation aufgekauft. Die Kameras wurden jedoch weiterhin unter den Namen „YASHICA und „Contax“ vertrieben. Auch erfolgte ein Abbruch des Contax Auto Fokus Projekt. Waren es vielleicht die Zeiss-Entscheider, die beim Thema Autofokus die Zusammenarbeit der YASHICA/Contax Ära beendet haben?

1987 kam die 230 AF auf den Markt. Während bis dahin die höherwertigen Kameras den Namen „Contax“ trugen, war die neue YASHICA 230 AF jetzt auch eine ernstzunehmende Mittelklassekamera.

Leider waren viele bisherige Nutzer von YASHICA-Spiegelreflexkameras nicht bereit, ihre M42- oder Contax/YASHICA-Bajonett-Ausrüstung gegen ein neues, inkompatibles Bajonettsystem einzutauschen. Hinzu kam, dass Kyocera nach dem Abbruch des Contax-Autofokus-Projekts 1982/83 sehr spät und zu einem sehr hohen Preis in den Autofokus-Markt für Spiegelreflexkameras einstieg, sodass sich andere Hersteller bereits gut etablieren konnten.

 

 

Hausgemachte Probleme sind bedauerlicherweise immer die unangenehmsten. So auch unsere Brücke. Sie ist und bleibt wohl noch lange ein Nadelöhr. Ewige Baustellen und Spursperrungen sowie zuletzt intensive Sanierungsarbeiten erschweren seit Jahren die zugige Überfahrt mit dem Auto. Die Sanierung stockt und der bürokratische Akt des sogenannten Ausschreibungsverfahrens ist längst zu einem Perpetuum mobile mutiert. Man darf gespannt sein, wann dieser Zustand endlich ein Ende findet. Grund genug, die Emmericher Rheinbrücke zu Fuß zu überqueren – sich den warmen Wind um die Ohren wehen zu lassen und die Binnenschifffahrt von oben zu betrachten. Natürlich will ich die Rheinbrücke auch ausgiebig mit der YASHICA 230 AF fotografieren. Zwei Leidensgenossen unter einen Hut zu bringen – das hat schon was!

 

 

Eine der innovativsten und coolsten Eigenschaften der YASHICA 230 AF ist interessanterweise ziemlich unbekannt. Sie ist in gewisser Weise eine echte Wildtier-, Sport- und Überwachungsspezialistin. Das Stichwort heißt Trap-Focus. Bei der „Fallenfokussierung“ wird der Fokus auf einen Punkt voreingestellt, an dem der Fotograf etwas erwartet. Sobald sich das Objekt ins Bild bewegt, wird der Verschluss automatisch ausgelöst. Eine zweite Möglichkeit: Wenn man ein statisches Objekt sieht und beschließt, es z. B. aus einer Entfernung von 5 m zu fotografieren, und den Auslöser (oder den externen Auslöser) gedrückt hält, während man sich auf das Objekt zubewegt, wird der Verschluss erst ausgelöst, wenn man den voreingestellten Punkt erreicht hat.

 

 

Die Kamera liegt sehr gut in der Hand. Sie verfügt über einen motorisierten Filmtransport, einen Serienbildmodus und eine automatische Rücklauffunktion. DX-Codierungen von ISO 25-5000 sind der YASHICA 230 AF natürlich vertraut. Sie bietet eine Vielzahl von Aufnahmeparametern, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Manueller Betrieb ist ebenfalls möglich. Der Ton beim Auslösen: Absolut Klasse! Die Aussicht auf dem Rhein: Grandios!

 

 

Auch das Objektiv ist in einem tadellosen Zustand. Der Autofokus ist aus heutiger Sicht vielleicht keine Rakete, aber dennoch beeindruckend schnell und präzise. Die coole „Trap Focus“-Funktion konnte ich leider nicht nutzen. Hierfür benötigt man im besten Fall ein Stativ und muss vorher per Hand ziemlich genau „scharfstellen“. „Aus der Hand“ war mir diese Funktion nicht möglich, zumal der Auslöser oder ein externer Auslöser permanent betätigt werden muss.

 

 

Für die „Blitzer“ unter uns sei gesagt, dass die YASHICA 230 AF keinen eingebauten Blitz hat. Als wirklich gut durchdachtes Zubehör gibt es ein kleines externes Blitzgerät (CS-110 AF), das auf den (Norm-)Schuh aufgesteckt werden kann. Dieser kleine Blitz fügt sich nahtlos in das Gehäusedesign der YASHICA 230 AF ein und hat auf der Oberseite noch eine ISO-Tabelle hinterlegt. Er wird von der integrierten 2CR5 Batterie der Kamera gespeist.

 

 

 

 

Fazit: Ja, es hat Spaß gemacht! Mit der YASHICA 230 AF lässt es sich genauso schön und einfach fotografieren wie mit der Canon T-50. Auch wenn die technischen Möglichkeiten gegenüber der Canon T-50 um ein Vielfaches höher sind, so bleibt auch das Menü recht intuitiv, es gibt viele Einstellmöglichkeiten sowohl im Automatik- als auch im manuellen Modus. Wer einfach nur ein paar Schnappschüsse machen will, wählt den Automatikmodus und kann bei der Bedienung eigentlich nicht viel falsch machen. Auch die Ergebnisse der »Wundertüte« haben mich sehr überzeugt. Der Film ist recht grobkörnig, aber dafür war die Lichtsituation auf der Brücke auch sehr speziell. Ein gewisser Verlust ist leider auch dem mittlerweile veralteten Scanner zuzuschreiben. Wie die Golden Gate Bridge (wenn man sie mit dem Auto überquert) ist auch die YASHICA 230 AF in der Fotowelt nicht gerade die beliebteste. Das liegt aber keineswegs am Bauwerk selbst oder an der 230 AF! Die Kamera ist gut und es ist schön, sich an sie zu erinnern. Es ist fast ein Wunder, wie günstig die YASHICA 230 AF nebst diversen Optiken im Vergleich zu Konkurrenzmodellen derzeit zu bekommen ist. Mein Tipp: Zugreifen, bevor zu viele diesen Artikel lesen!

 

 

 

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