Pentax ES II – Mehr Glück als Verstand!
Pentax ES II – Mehr Glück als Verstand! Abgeliebt steht sie nun auf meinem Schreibtisch. Der Body einer Pentax ES II mit sagenhaften 650 g Eigengewicht. An vielen Stellen zeigt sich bereits das goldene Messing, das einst von schwarzer Lackierung umgeben war. In den letzten 50 Jahren müssen viele Geschichten durch den Tuchverschluss auf den Film gelangt sein. Meine nahezu gleichaltrigen Gedankengänge schweifen bzw. fantasieren..
Ich male mir aus, was die Pentax ES II bereits alles erlebt haben könnte. Wie viele Vorbesitzer sollte es bereits gegeben haben? Wurden spektakuläre Ereignisse „eingefangen“ oder waren es vielleicht außergewöhnliche Länder die mit diesem Gerät bereist wurden?
Ich gebe zu: Eine vielleicht typische Emotion für jemanden, der wie ich den „Splien “ der analogen Fotografie frönt und viel zu viel mit diesen Geräten beschäftigt ist 😉
Für einen „Normalo” ist dieses Exemplar vielleicht schon zu schäbig, aber dieser abgenutzte Stil der Pentax ES II macht auf mich einen besonderen, aufregenden gelebten Eindruck.
Ich überlege, wie ich das Gerät für den kommenden Einsatz vervollständigen kann, und entscheide mich schließlich nach einer viel zu großen Auswahl an Altglas-M42-mm-Objektiven aus der Sammelkiste für ein Helios-44. Vielleicht entspricht diese gewählte Kreuzung nicht der feinen japanischen Art, aber irgendwie glaube ich, mit einem Objektiv aus der Helios-Serie dem System gerecht zu werden. Als eigentliches Standardobjektiv für sowjetische Kameras, u. a. für die Marke Zenit, mit einer Naheinstellgrenze von 50 cm scheint das Helios-44 mit einer Brennweite von 58 mm und einer Lichtstärke von 1:2 auch für mich eine gute Wahl zu sein.
Ich gestehe umgehend, dass diese Objektiv-Findungsphase erst im Nachhinein einen Sinn ergeben hat, denn in Wahrheit war es das erste Objektiv, das mir technisch passend für die Pentax ES II in die Hände gefallen ist. Seltenst habe ich nämlich die Muße, die viel zu große Kiste mit den angesammelten (und leider nur unterdurchschnittlichen) M42-Objektiven aus dem Schrank zu stemmen, um dann wieder festzustellen, dass ich mich mal wieder nicht entscheiden kann. Dennoch hätte ich das Helios-44 nicht einfach akzeptieren dürfen – aber dazu später mehr.
Die Pentax ES II ist das letzte Modell der erfolgreichen Spotmatic-Serie und die letzte Pentax-Spiegelreflexkamera mit einem M42-Objektivanschluss. Baujahr: Von 1973-1975. Vom Gehäuse her handelt es sich um eine typische Spiegelreflexkamera aus den 70er Jahren, die so solide gebaut wurde, dass mehrere Generationen untereinander die Möglichkeit hatten, ihren Nachwuchs mit eigenen technischen Erfahrungen und Tipps ausreichend zu verunsichern.
Für den elektronischen Belichtungsmesser werden vier LR/SR-44-Batterien benötigt. Diese befinden sich hinter einer kleinen Klappe unter dem Objektivgewinde. Ein Test nach dem „Wiederzusammenfummeln“ zeigt, dass die Elektronik in meinem Fall leider nicht mehr funktioniert.
Das ist zwar schade, aber auch nur halb so schlimm. Bei der Einstellung „Automatic“ standen mir elektronische Belichtungszeiten von 8 Sekunden bis 1/1000 s zur Verfügung, nun bleibt nur noch eine manuell einzustellende Range von 1/60 s bis 1/1000 s. Bei dem jetzigen Wetter ist das mehr als ausreichend. Außerdem ist mir auch aufgefallen, dass der Selbstauslöser ebenfalls nicht mehr funktioniert. Auch damit kann ich leben. Duckface-Selfies waren ohnehin nicht geplant und Stativaufnahmen im schlechten Licht sind auf Grund des Defektes nun sowieso technisch ausgeschlossen.
Wie ich vermutet habe, knallt der Spiegel altersbedingt wie ein altes Luftgewehr von der Schießbude auf der Kranger Kirmes. Abgeranzte Spiegeldämmungen sind in diesem Zustand nichts Außergewöhnliches – hier verhält es sich für mich wie beim guten alten „Engländer” aus der Werkzeugtasche. Wenn man alles „Gute“ (wie immer selbst, jedoch instinktiv „männlich“ mit Schuldzuweisungen an dritten) verlegt hat, akzeptiert man wohl oder übel auch den schlechtesten verfügbaren Universalschraubenschlüssel.
Zumindest scheint die Pentax ES II dicht zu sein – und das ist für mich entscheidend. Ich bestücke die Kamera mit einem 35-mm-Film aus dem Drogeriediscounter und sehe, wie beim Öffnen des Deckels das Zählwerk auf die rote Null springt. Es lebt doch noch was in Ihr, denke ich insgeheim und mit einem leisen Klick schließe ich den Deckel und meine Vorbereitungen.
Ich fasse zusammen: Nichts von dem, wofür die Kamera ursprünglich den Namen ES II trägt, funktioniert. Abgeliebt und abgenutzt! Aber fotografieren kann die Pentax trotzdem noch, denn in ihr steckt eine funktionierende Standardmechanik die wohl noch die nächsten 50 Jahre zuversichtlich genutzt werden kann!
Gemeinsam mit Silke düse ich erst in Richtung Ruhrgebiet und später dann wieder zurück in unser Kleve. Die typischen Farbschemas, wie sie auf einem 35-mm-Film zu erwarten sind, kann man bei unserer Ortsauswahl auch ohne zu fotografieren überall betrachten. „Abgeliebt und abgenutzt“ ist vor Ort an vielen Stellen allgegenwärtig. Die Pentax ES II macht in der Praxis richtig Spaß! Sie fühlt sich unglaublich hochwertig an. Alle Bedienteile sind robust und in Kombination mit ihrem Gewicht tut die Kamera ihr nötiges damit dieses Gefühl auch bis zum letzten Foto bleibt.
Ein schöner fotoreicher Tag geht natürlich auch immer viel zu schnell zu Ende. Schon am Folgetag brachte ich die Filmdose zur Entwicklung nach DM. Danach hieß es warten – und warten.
Nach gefühlten 3 Monden sind dann endlich auch die entwickelten Fotos in unserer DM- Filiale eingetroffen. Gemütlich zu Hause mit Öffnung der Fototüte und einer Hopfenlimonade kam dann aber auch eine weitere Ernüchterung. Viele Bilder waren überbelichtet und nicht brauchbar.
Tja – wie was das noch mit der nicht vorhandenen Muße bzw. dem Abgeliebten und abgenutzten? Leider hatte ich mir das Helios-44 nicht richtig angeschaut bzw. zuvor nicht vernünftig auf Funktion getestet. Beim Objektiv, hatte sich nämlich jetzt bei nachträglicher Kontrolle herausgestellt, dass auch der Zahn der Zeit die Lamellen teilweise verharzt waren. Nach voll geöffneter Blende hackte es und erst nach mehrfachem intuitiven Drehen an dem Blendenauswahlring hat es sich wieder schrittweise arretiert. Die Funktion der Springblende war ebenfalls nicht gegeben, was für die Nutzung an dieser Pentax ES II aber eh keine Rolle gespielt hätte. Wieder eine Operation am offenen Herzen fällig – aber nicht in absehbarer Zeit! Muße, ’ne! Ein Wunder das überhaupt ein paar Fotos gelungen sind. Aber diese wenigen mag ich nun um so mehr!
Fazit: Eine funktionierende analoge Pentax Spiegelreflexkamera, die ein jeder Zeitreisender aufgrund der Robustheit auf dem Wege in die Vergangenheit gut gebrauchen könnte – aber insgesamt dann doch eine elektrisch defekte ES II. Darüber hinaus eine Bestrafung meiner nicht vorhandenen Muße in der Objektivauswahl. Für mich zählt das Ergebis 😉 Hätte ich gemeinsam mit meinem Großvater und Vater die Möglichkeit gehabt, diese Misere erleben zu dürfen – so hätte beide trotz ein paar guten Fotos wohl jede Möglichkeit ausgeschöpft mich mit folgenden Worten synchron zu verunsichern: Mehr Glück als Verstand!
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