35mm,  André,  KMZ,  Messsucherkamera,  Review

KMZ- Zorki 10 „Technische Ästhetik“

KMZ- Zorki 10 – Manchmal gibt es Tage, da wird mein Gehirn ohne Vorwarnung katapultartig in die Jugendzeit versetzt. Spätestens dann, wenn man über alte vergangene Blockbuster aus dem Kino oder über „Kult-Filme“ spricht. Aus einer Zeit, wo Streaming oder Movie on Demand für mich einfach nur VHS-Videokassette hieß. Zusätzlich ergab es sich, dass ich jüngst einen Fotoapparat aus vergessener Zeit ausprobieren konnte, der aber alleine durch die futuristisch anmutende Optik so manch verarbeiteten Jugend-Flashback hochgradig in mir reaktivierte. Ich gebe zu, vermutlich ist der ein oder andere spätere Vergleich oder kommende Assoziation durch einen alten pubertär angestauten Fantasiebogen etwas merkwürdig bzw. weit her gegriffen oder dünn, andererseits, was wäre die Welt ohne Fantasie, Technik und ein wenig bewusster Spinnerei?

 

 

Ich schwadroniere natürlich gerade von der Zorki 10. Ein kompakter Fotoapparat aus der ehemaligen Sowjetunion, ein Fotoapparat wie jeder, nur doch irgendwie total anders! Die Zorki 10, aus dem Hause KMZ (Krasnogorski Mekhanicheskii Zavod) im besten russischen Industriedesign. Wahrscheinlich abgeleitet von der Ricohmatic 35, wobei das russische Merkmal „Design“ wohl besser als „Technische Ästhetik“ tituliert werden muss.

Ich halte den von 1964 bis 1978 gebauten „Vollmetallkasten“ aufgeregt in meinen Händen, und frage mich prompt, wie man es schaffen kann, „Kompakt“ mit einem Eigengewicht von sage und schreibe 750 g zu kreuzen? Darüber hinaus bleibt auch die sofortige Frage offen, ob dieses Modell rein dem Export (unter anderem auch als Revue 10 von Foto-Quelle) oder den privilegierten sowjetischen Bürger vorbehalten war? So habe ich doch in der Schule immer etwas von „Mangel an Konsumgüter“ im Zusammenhang mit der ehemaligen UDSSR gelernt.

Meine Augen hingegen erhaschen beim Anblick unweigerlich ein futuristisches, kosmisches Flair und irgendwie erinnert mich dieser Fotoapparat an ein Symbol für Jugendträume, den Glauben an die Technik und an eine bessere Zukunft – an den DeLorean DMC – 12.

 

 

Genau! Ein DeLorean DMC-12, (mehr bekannt als Zeitmaschine aus den Filmen „Zurück in die Zukunft“) ein Sportwagen wie jeder – nur doch irgendwie total anders! Ein für damalige Verhältnisse fantastischer und innovativer optischer Exot –seiner Zeit viele Jahre voraus, mit modernen eckigen Chassis, anmutenden Flügeltüren, ein besonderes Sicherheitskonzept sowie eine Karosserie aus rostfreien Edelstahl! Eine Heckpartie, wo sich wohl nur die schönsten, reichsten und berühmtesten Menschen gemeinsam mit den halbstarken Autokennern ein Urteil erlauben dürfen – halt ein echter „voll auf die Zwölf“ Eyecatcher, aber dennoch sehr „Aufgeräumt“ ohne Schnörkel. Ein „Appetizer“ Sportwagen, gemacht aus und für die wohl besten Jugendträume.

Jedoch (im Nachhinein) mit mehr oder weniger großen und kleinen Macken und Qualitätsdefiziten. Der DMC-12 wurde nur kurz gebaut – sein Ende kam sehr schnell. Ein futuristisches Konzept, das sich selbst in die Knie gezwungen hat. Ein vermeidlicher Killer an der Ampel, mit extra großen Spaltmaßen, vielleicht mit mehr „Schein“ als „Sein“- aber ein Sympathieträger, der mit seinem Aussehen bis heute fasziniert.

Wie schlägt sich die Zorki 10 in meinem wohl ungewöhnlichen Vergleich zu einem DeLorean? Überzeugt die erste russische Automatikkamera durch Technik und andersartigen Bedienung, oder bleibt die Zorki 10 auch nur ein begeisternde, futuristisch anmutende Schönheit?

Aus mechanischer Sicht ist die Zorki (mein Modell aus den 70ern) eine einfache Messuchkamera, jedoch mit einer Belichtungsautomatik. Die Lichtmesszellen befinden sich rund um die Linse hinter den glasartigen Kunststoffprismen. Hierbei handelt es sich um Selenzellen, viele kleine Fotodioden auf der Basis des halbleitenden Selen, die bei Beleuchtung eine elektrische Spannung erzeugen. Die Selenzellen sind sehr praktisch, da man keine Batterien braucht.

 

 

Ich kaufe mir beim Drogeriediscounter meines Vertrauens einen S/W Film und lege ihn respektvoll, mit nahezu internistischem Feingefühl ins tiefste Innerste der Zorki 10. Überraschung: Hier wird der Film von rechts nach links eingespannt. Der Spannbügel, hier auch liebevoll „das Nashorn“ genannt, befindet sich unüblicher Weise gemeinsam mit dem Bildzählwerk auf der Unterseite. Den Auslöser sucht man ebenfalls vergebens auf der Oberseite. Dieser ist seitlich am Objektiv verbaut und bedarf ein wenig Übung, da er (um Verwacklungen zu vermeiden) gefühlvoll sehr tief nach unten gedrückt werden muss. Das finde ich cool!

 

 

 

Am äußeren Stellring des Objektivs wird die zum Film passende ASA eingestellt. Fotografieren möchte ich mit der Blendenautomatik, da in der Automatik eine Verschlusszeit von 1/150s vorgegeben ist. Natürlich könnte ich auch eine manuelle Blende nutzen, aber mit 1/30s als fester Wert oder im Bulb Modus ist das Experiment ohne Stativ wohl nicht möglich. Eine andere Kombination aus Verschlusszeit und Blende ist leider ausgeschlossen.

Selten spannend ist auch das Repertoire im Sucher. Die Belichtungsmesseranzeige, eine Nadel, tanzt im besten Falle mittig oder weit rechts weg vom roten Balken. Auch gibt es in der Mitte einen grünen, transparenten Messucherfleck. Dieser zeigt zwei versetzte Bilder. Durch das Drehen am Entfernungsring stelle ich die Schärfe ein, bis beide versetzten Bilder genau übereinander lappen.

 

 

Soweit so gut – aus mir und meinen Zorki-Fotos könnte noch tatsächlich was werden! 😆

Mit Silke fahre ich gemeinsam zum naheliegenden Universitätscampus nach Kleve. Der Campus ist recht neu und sehr modern gestaltet. Weiße moderne Fassaden und schwarze Fensterfronten prägen das Haupterscheinungsbild der 19 Gebäude auf dem ehemaligen Hafengelände. In der Mitte ein altes Speichergebäude und ein alter Lastenkran, begleitet von einem idyllischen Kanal. Die Kulisse könnte nicht besser sein.

Butterweich und ohne jegliche Art von bockenden Attitüden macht die Zorki 10 brav ihre Arbeit. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ratzfatz ist auch schon der ganze Film belichtet. Jetzt heißt es Entwickeln lassen und Abwarten.

Ca. 2 Wochen später ist es so weit, und ich hole, aufgeregt wie Bolle, den entwickelten Film ab. Voller Neugierde öffne ich den Umschlag und die Verwunderung könnte nicht größer sein. Was war passiert? Die Bilder wirkten extrem überbelichtet und verwackelt. Wie ein Sherlock Holmes begann ich zu recherchieren und schnell war der Fehler auch ohne ein Dr. Watson gefunden.

 

 

Wie bekannt verfügt die Zorki 10 über Selen Lichtmesszellen. Diese sind über die Jahre wohl nicht mehr 100 % in Ordnung. Auch wenn die Nadel im Sucher noch eine Bewegung zeigt, so reichte die Nadelanzeige etwas über den roten Balken nicht aus, um ordnungsgemäß zu belichten. Was ich jedoch zuvor nicht wusste: Auch im Automatikmodus wird bei schwacher Belichtung nur eine Blendenzeit von 1/30s genutzt. Somit war das Phänomen meine Bilder schnell erklärt.

 

Fazit: Die Zorki ist ein wunderbarer Fotoapparat, der mit seiner Technik und seiner robusten Qualität  im Gegensatz zum Sportwagen DeLorean DMC-12 von Anfang an bis heute überzeugen kann. Vorausgesetzt, die Selen Lichtmesszellen funktionieren noch! Somit ist meine Zorki 10 leider doch nur ein futuristisch anmutender Exot, aber allein durch die Optik ein „Must-have“ in jeder Sammlung!

 

 

 

 

 

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