Die neue Leidenschaft am unperfekten
Fotografie: Ein Foto in der Hand zu halten, war für mich immer etwas Besonderes. Das lag wohl daran, dass ich die Person war, die es schaffte, möglichst nicht auf dem Foto zu sein. In meinen jüngeren Jahren konnte ich das leider nur schlecht vermeiden und so kam es oft vor, dass Fotos, auf denen ich dann doch zu erkennen war, zu meinem Leidwesen in einem Fotoalbum abgeheftet, gerne im Freundes- und Verwandtenkreis meiner Eltern die Runde machten.
Fotografiert zu werden war und ist bis heute nicht mein Ding – aber selbst zu fotografieren, das ist meine Welt – wie sich ein halbes Leben später herausstellen sollte. Angefangen hat alles mit einer kleinen Plastikkiste im Urlaub, so Anfang der 80/90er Jahre. Kleine Souvenirs vom ersten Urlaub und so – aber ernsthafte Ambitionen zur Fotografie: Fehlanzeige!
Mitte der 90er Jahre kam ich durch Zufall über ein berufliches Projekt zu meiner ersten Digitalkamera (Sony DSC-F55). Eine Kamera mit einem um 180 Grad drehbaren Objektiv. Irgendwie ein Alleskönner – ein Gerät, mit dem ich plötzlich meiner unbewusst angestauten Kreativität freien Lauf lassen konnte. Ich fotografierte aus der Mausperspektive, von hinten über die Schulter oder einfach über Kopf! Das war so genial, und die digitale Bildbearbeitung bzw. digitale Bildkomposition setzte dem Ganzen die Krone auf. Mein damaliger 19-Zoll-Monitor bekam ein riesiges Vollbild, und damit war es um mich geschehen. Ich wollte alles ausprobieren – selber fotografieren war genau mein Ding!
Von meinem mühsam ersparten Geld kaufte ich mir bald eine eigene Digitalkamera. Eine Sony DSC-505V sollte es sein, die mir auch viel Spielraum für meine Kreativität ließ. Später folgten die erste digitale Spiegelreflexkamera von Canon (EOS 300D) und weitere Modelle samt Objektiven.
Fotografie war von nun an DAS Hobby, wobei weniger die Technik als vielmehr der Spaß im Vordergrund stand. Getreu dem Motto: DER BESTE (DIGITALE) FOTOAPPARAT IST DER, DEN MAN DABEI HAT!
Heute ist man digital so weit, dass die Fotos eigentlich (fast) immer gelingen. Die eigentliche Technik des Fotografierens habe ich nie richtig gelernt. Vom goldenen Schnitt oder der blauen Stunde habe ich nie etwas gehört. Fachbegriffe wie Blende oder Verschlusszeit waren mir zwar geläufig, aber nach dem Motto „ICH PROBIERE SO LANGE, BIS ES KLAPPT PRINZIP“ doch manchmal weit weg. Zumal ein Foto, egal ob gut oder schlecht, nichts kostete. Irgendwie ließ sich alles ganz einfach einstellen und das schöne Ergebnis war für mich das Ziel.
Zusammen mit Silke habe ich die analoge Fotografie für mich neu entdeckt. Und mich sofort verliebt. Ich bin unendlich begeistert von der Technik der damaligen Geräte – das Einfache (damit meine ich nicht die Mechanik) und Schlichte – mit dem Anspruch, technisch mitzudenken, um ein schönes Ergebnis zu erzielen! Aber auch heute steht das technisch perfekte Foto nicht im Vordergrund. Ein Foto muss mir gefallen, es muss mir Freude bereiten, unabhängig von handwerklichen Fehlern.
Es ist mir unbegreiflich, wie die Zeit an mir vorbeigehen konnte, ohne mein Interesse zu wecken. Ob Point & Shoot, Spiegelreflex oder Boxkamera, alle Systeme haben ihren Charme und ihre vergangene Technik, die mich mit ihren Ergebnissen auf Fotopapier besonders begeistert. Ich staune täglich über die damaligen Vertriebswege und die dahinter stehenden Marktstrukturen sowie über die geschichtlichen Hintergründe der Hersteller und Kameratypen.
Was für ein tolles Hobby! Ich entdecke mich und die Möglichkeiten der Vergangenheit neu. Ein Grund mehr, diese Erfahrungen mit Gleichgesinnten zu teilen und die Fotografie von der Pike auf neu zu entdecken!