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Nikon TW Zoom – Das Brikett

Für ein paar Taler erstanden und mit einem abgelaufenen Film gefüttert, halte ich endlich die wie ein Steinkohlebrikett aussehende Kompaktkamera Nikon TW Zoom einsatzbereit in den Händen. Der Zufall hätte nicht besser sein können. Stehe ich doch gerade auf einer Halde, die 74 Meter über dem Umgebungsniveau aufgeschüttet wurde. Der Abraum, aus dem die Halde besteht, stammte aus der nahe gelegenen Zeche Rheinpreußen bei Moers. Rheinpreußen gehörte zu den großen Zechen im Ruhrgebiet und war damit in Moers und Umgebung ein sehr wichtiger Arbeitgeber und ein mächtiger Industriestandort.

Die Nikon TW Zoom selbst ist eine vollautomatische, selbstfokussierende Point & Shoot-Kamera aus den Anfängen der 1990er Jahre. Sie ist mit DX-kodierten Filmen vertraut, unterstützt aber auch die manuelle ASA-Einstellung. Sie ist tatsächlich schön anzusehen, aber auch ein Plastikbomber wie aus dem Bilderbuche. Auch ist sie keine Kamera, die man aufgrund ihrer Größe unauffällig in der Hosentasche verschwinden lassen kann. Sage und schreibe 460g mit Film und einer CR-P2 Batterie bringt dieses Gerät auf die heute neu ausprobierte Küchenwaage!

 

 

Der Sucher, der auf der Vorderseite an die Größe des Blitzes angepasst ist, wirkt optisch größer als er tatsächlich ist. Ich nehme an, dass diese „große Bauweise“ auch dem damaligen Design geschuldet ist. Auf der Oberseite befindet sich ein selbsterklärendes Display, zusätzlich kann man aber über kleine Tasten noch diverse Einstellungen vornehmen, die dann zur Kontrolle im Display erscheinen. Auf der Rückseite direkt neben dem Sucher befinden sich noch zwei kleine LEDs, die bei Grün das „OK“ der Scharfstellung und bei Rot die Blitzauslösung bestätigen. Es quietscht oder rappelt nichts! Qualitativ macht sie für einen Dino aus der Point&Shoot Ära einen bemerkenswerten Eindruck.

 

 

Wer anderen eine Grube gräbt, der……der sollte auch eine Grubenlampe sein Eigen nennen! Denn ein jeder Bergmann hatte seine „persönliche“ Grubenlampe! Nach jeder Schicht war der Bergmann dafür verantwortlich, dass er die Grubenlampe selbst wieder ordnungsgemäß in die Lampenstube an den dafür vorgesehenen Platz zurückstellt, damit er bei der nächsten Schicht wieder eine volle Grubenlampe zur Verfügung hat. So oder so ähnlich steht es in der Bergmannsordnung. Deshalb hat die Grubenlampe in der Bergmannssprache auch einen eigenen Namen: Das Geleucht.

 

 

Quasi als Wahrzeichen und als Erinnerung an den Bergbau in der Region steht dieses Geleucht in überdimensionaler Größe auf dem Gipfelplateau der Halde Rheinpreußen. Autofahrer, die auf der berühmten Hauptverkehrsader A42 unterwegs sind, können diese rote Landmarke sogar wunschfrei täglich im Dauerstau bewundern. Ich habe sie leider schon sehr sehr oft aus dem Auto heraus bewundern müssen, besonders in der Dämmerung, nach Feierabend, wenn sie angestrahlt wird und man mit seiner Feierabendzeit (natürlich) nichts anzufangen weiß. Romantik geht anders!

Dennoch war es endlich an der Zeit, die Landmarke mit der Nikon TW ZOOM zu besuchen. Leider spielt das Wetter nicht so richtig mit, aber ich hoffe zumindest auf eine schöne Umgebung, das Schmelzen einiger überflüssiger Fettzellen (es geht ja ordentlich bergauf) und einen zufriedenstellenden Blick auf den Stau auf der A42 😉

Ob die Nikon TW ZOOM mit ihrem Zoombereich von 35–80 mm eine Option sein wird, werde ich wohl erst sehen, wenn die Fotos entwickelt sind. Wenn das maximale Zoom von 80mm erreicht ist, bleibt nur noch f/7.9 und das Wetter….naja.  Die größte Blende bei 35 mm ist zumindest noch f/3.5

 

 

Wie alte Roboter quälen wir uns langsam in Richtung Plateau. Ich bedingt durch meine sagenhafte Kondition, die Nikon durch Ihren ZOOM, lautstark und krächzend, sobald die Zoomwippe zum Einsatz kommt. „Was für ein Dreamteam“, denke ich und unweigerlich kommt mit jedem Meter Richtung Geleucht ein starker, eiskalter Minuswind hinzu, der mein Gesicht und meine Finger unsanft durch spontane Rötung auf ihrere Existenzen aufmerksam macht. Bei jedem Schritt frage ich mich, warum ich mir ausgerechnet den heutigen saukalten Tag ausgesucht habe – doch dann, endlich, nach einigen serpentinen-ähnlichen Kurven, das Geleucht in seiner wahren Größe! Was für ein Anblick! Rot, eisern und mächtig steht das Geleucht da und trotzt jedem Wetter. Etwas bibbernd, aber ohne ein wirkliches Gefühl von Kälte oder Wärme, verballere ich fast rebellisch den gesamten 36er Film. Im Nu sind zwei Stunden vorbei und es wird Zeit, zum Auto zurückzukehren.

 

 

Die Aussicht war toll nur, (und das wird wohl mein neues Mantra): Der Stau ist wie durch Zauberhand (oder vielleicht durch fehlende Zoom Millimeter) ausgeblieben!

 

 

Der Spaziergang hat sich jedoch sehr gelohnt und insgesamt viel Spaß gemacht. Auch die Handhabung der Nikon TW ZOOM hat mich überzeugt. Allerdings ist der Zoom auch mit 80mm nicht der Hit. Schon gar nicht bei Landschaftsaufnahmen mit kontrastarmen Herbstfarben. Von Sportaufnahmen will ich gar nicht erst anfangen, dafür ist der Zoom bzw. das gesamte Gerät einfach viel zu schwerfällig. Der Einsatz im urbanen Raum scheint der Kamera auf jeden Fall mehr zu liegen. So schätze ich auch den Autofokus ein. Zuviel einheitliche „Suppe“ mag er halt nicht. Alles in allem eine tolle Expedition, bei der nur hier und da der Blitz dem Benutzer ein Eigenleben aufzwingen wollte. Nach ca. zwei Wochen konnte ich endlich den Film beim Drogerie-Discounter meines Vertrauens abholen. Doch die Wundertüte sprach nur eine durchschnittliche Qualitätssprache.

 

 

Fazit: Wer sich selber eine Grube gräbt, der …naja, sollte sich nicht über Qualitätsverluste beschweren. Denn schließlich war ich es, der einen abgelaufenen Film ausgewählt hatte. Das Wetter hat sein Übriges dazugetan. Die Fotos wirken sehr körnig, teils unscharf, nicht farbecht und Details in der Ferne sind so gut wie nicht gegeben. Die Nikon TW ZOOM ist eine schöne Kamera, die vielleicht eine zweite Chance verdient hätte. Handhabung und Funktionalität waren durchaus in Ordnung.

 

 

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