CHINON Handyzoom 5001 – Point & Shoot gefangen im Körper eines Camcorders?
Die 80er Jahre waren ein wahres Technik-Jahrzehnt. Die Unterhaltungselektronik hielt weltweit Einzug in die heimischen Wohnzimmer und auf so manchem Wohnzimmertisch landete regelmäßig ein neues faszinierendes Elektrogadget der Begierde. Nicht nur die Fotografie entwickelte sich in dieser Zeit rasant weiter, in den 80er Jahren begann auch die absolute Blütezeit der Videografie. Aufnehmen jetzt in Bild und Ton und das als Normalsterblicher zu erschwinglichen Preisen! Wurde der Camcorder anfangs wegen seiner Größe noch wie ein Ghettoblaster auf den Schultern getragen und fast nur den Profis überlassen, wurden die neuen Geräte immer billiger und vor allem kleiner.
Bis zum Jahr 1989 hatte Sony mit dem neuen Video-8-System seine Camcorder auf eine Größe reduziert, die in jede Handtasche passte – klein genug, um sie überall mit hinnehmen zu können.. Mit dem Camcorder-Boom mischten bald alle namhaften Firmen der Video-/Foto- und HiFi-Branche auf dem Camcorder-Markt mit. Dieser Boom erfasste auch Deutschland wie ein Wirbelwind und egal ob Urlaub, Geburtstag oder Zoo – überall wurde nun gefilmt, was das Zeug hielt. Der Sony Camcorder, der zum Durchbruch in der Home-Anwendung führte, trug interessanterweise den Namen Handycam!
CHINON als Kamerahersteller war in meinen Augen schon immer sehr kreativ. Mit der Einhandbedienung wie bei den Camcordern hat Chinon nicht lange gewartet und die Konstruktion schnell dem Trend angepasst. Als Bridge-Kamera waren die Chinon-Geräte der GS-Serie ein innovativer Meilenstein der neuen Möglichkeiten und auch eine Point & Shoot-Kamera wurde durch ihre ungewöhnliche Bauweise zu einem echten Phänomen.
Die Rede ist natürlich von der CHINON Handyzoom 5001. Böse Zungen werden jetzt behaupten, dass der Name irgendwie von Sony abgeguckt ist – ich nenne es „treffsicheres Marketing „ 🙂 1989 kam die Handyzoom mit und ohne Datarücken auf den Markt und bis heute frage ich mich, was sie eigentlich darstellen will. Ausgestattet war die Handyzoom mit dem weltweit ersten Auto-Programmed-Zoom-Kompositionssystem, das anhand der Entfernungsdaten des Motivs und seiner Position zur Kamera auf Wunsch automatisch aus 128 voreingestellten Brennweiten automatisch auf den optimalen Bildausschnitt zoomte. Was haben sich die Ingenieure nur dabei gedacht – und war das vielleicht die erste KI? Ein Point & Shoot Fotoapparat, gefangen im Körper eines Camcorders?
Zugegeben: Das Design gefällt mir sehr gut! Sie hat einen echten Coolness-Faktor. Aber kann man damit auch gute Fotos nach dem Point & Shoot Prinzip machen? Ich würde sagen, Jein!
Möchte man die CHINON Handyzoom 5001 wie eine herkömmliche Point&Shoot Kamera benutzen, so sollte man sich besser schnell von dieser revolutionären Innovation, dem Auto-Programmed-Zoom trennen!
- Chinon 35-70mm f/3.7-6.8 (8 Elemente, 6 Gruppen).
- Filmempfindlichkeitseinstellungen: 25-1600 DX ISO.
- Verschluss: 1/4 bis 1/300 Sek.
- Gewicht: 408g.
- Batterie: 1x 2CR5
Wenn es schnell gehen muss, entscheiden wir meist intuitiv – und das ist auch gut so. Wenn eine technische Innovation oder ein bestimmtes Handling den Moment des spontanen Handelns aufgrund seiner eigenartigen Bedienung blockieren, kommen wir mit Erfahrungswerten nicht mehr so schnell weiter. Als Fotograf kann diese Situation sehr irritieren – zumal wir als Anwender doch nur allzu gerne etwas dem Zufall überlassen, oder? Sonst heißt es schnell: Moment verpasst, Motiv weg!
Der Zoom ist recht träge und kann anatomisch bedingt auch nur mit der LINKEN Hand auf der linken Unterseite des Gehäuses bedient werden. Auch der Sucher befindet sich auf der linken Seite. Das ist anfänglich sehr gewöhnungsbedürftig, aber mit ein wenig Übung dann doch gut zu nutzen.
Wenn man die Auto-Funktion einstellt, wird gleichzeitig das Auto-Programmed-Zoom-Kompositionssystem aktiviert. Wie, bzw. nach welchen Vorgaben der automatische Bildausschnitt gewählt wird, ist mir völlig unerklärlich. Ich habe diese Funktion mehrmals ausprobiert, aber leider fast nie den optimalen Bildausschnitt erreicht, den ich mir im Auto-Modus vorgestellt hatte. Für den Fotografen ist dieser Auto-Zoom also eher ein Eingriff als eine Hilfe. Eine Ausnahme bestätigt jedoch die Ausnahme auf dem später entwickelten Film.
Die Fotos zeigen die Cubus-Häuser in Rotterdam mit und ohne Autozoom. Hier hat das System im unteren Bild selbst gewählt.
Obwohl ich im Vorfeld die negativen Eigenschaften erwähnt habe, muss ich zugeben, dass die CHINON Handyzoom 5001, sobald man sie in der rechten Hand hält, ein wahrer Handschmeichler ist. Sie lässt sich ohne das Automatikprogramm hervorragend bedienen. Dadurch das die Belichtungszeiten von 1/4 – 1/300 sec. begrenzt sind, sollte man sich bei recht hellem Wetter an ein gutmütiges Filmmaterial von ASA 200 halten. Ansonsten werden die Bilder recht hell.
FAZIT: Eigenwilliges Design gepaart mit einer Technik, die einen „Touch“ zu viel Innovation aufweist. Aber wie immer zählen die Ergebnisse und die sind wirklich gut.

