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Pouva-Start – Simpel und erfolgreich

Die Pouva-Start, auch Agfa Click des Ostens genannt, ist eine klassische Boxkamera. Ausgestattet mit einem 120er Rollfilm war sie bis Mitte der 1950er Jahre bei Fotoeinsteigern sehr beliebt. Die 1939 gegründete Karl Pouva AG aus Freital (Sachsen) stellte 1951, als VEB (Volkseigener Betrieb DDR) Kamerafabrik Freital, die erste Pouva-Start vor. Die klassische Boxkamera oder Kastenkamera war dem Kunden bereits bekannt, die Pouva-Start ähnelte jedoch im Betriebszustand durch ihren Tubus eher den „moderneren“ Kameratypen. Mit einem Preis von ca. 16 Mark war sie zudem sehr preiswert.

 

 

Um die Pouva-Start ( hier bei uns der Typ 1) in Betrieb zu nehmen und den Mechanismus in Gang zu setzen, wird das Objektiv aus der Kamera herausgeschraubt. Bei eingefahrenem „Schnecken Objektivtubus“ funktioniert der Auslöser nicht. Weitere Einstellungen sind zwei Rasthebel, die je nach Lichtsituation beliebig eingestellt werden können. Auf der Unterseite ist auch ein Stativgewinde eingelassen. Wird die Kamera im BULB-Modus verwendet, kann ein mechanischer Fernauslöser über ein weiteres vorhandenes Gewinde direkt neben den konventionellen Auslöser aufgeschraubt werden.

 

 

Interessant an diesem Modell ist, dass es aus Bakelit besteht. Das Gehäuse musste quasi chemisch „gebacken“ werden. Im immer mehr industrialisierten 20. Jahrhundert wuchs der Bedarf an billigen und schnell zu verarbeitenden Werkstoffen. Der Chemiker Leo Hendrik Baekeland erkannte die Zeichen der Zeit und meldete 1907 seine Erfindung zum Patent an: Ein Phenolharz, das er auf den Namen „Bakelit“ taufte. Es konnte schnell und billig in großen Mengen hergestellt werden. Bakelit entsteht u.a. durch die Reaktion von Phenol und Formaldehyd. Dabei verknüpfen sich die Moleküle zu einem dreidimensionalen Netzwerk aus chemischen Bindungen. Das so entstandene Material wird in Formen gepresst und bei hohen Temperaturen gehärtet. Bakelit ist sehr widerstandsfähig aber nicht bruchfest, da es kaum Elastizität besitzt. Was zuvor aufwendig aus Blechen und diversen Verbandmaterialien hergestellt wurde, konnte mit Bakelit annähernd in einem „Guß“ erledigt werden. Baekeland bzw. der Werkstoff Bakelit wird auch als „Vater des Kunststoffes“ bezeichnet.

 

 

Da die Pouva-Start eine Sucherkamera ist, wird sie genau so benutzt. Wenn man die beiden Sucherscheiben nach oben klappt und die beiden Rahmen beim Durchschauen fast miteinander verschmelzen lässt, erhält man in etwa die Ansicht, die später auf dem Foto zu sehen sein wird. Dieses Prinzip funktioniert in der Praxis erstaunlich gut und ist einfach! Insgesamt ist die Handhabung der Pouva-Start kinderleicht. Da der Film durch manuelles Drehen des Vorschubrades transportiert wird, befindet sich auf der Rückseite ein kleines Lichtfenster. Durch dieses Fenster kann man sehen (durch eine fortlaufende Markierung auf dem Filmpapier), wie weit der Film noch „vorzudrehen“ ist. Der Auslöser blockiert während dieser Zeit nicht! Vorsicht also vor versehentlicher Doppelbelichtung.

 

 

Die Pouva-Start war mehr oder weniger sehr lange meine treue Begleiterin. Einmal komplett „zusammengefaltet“, lässt sie sich wunderbar in der „Fototasche“ verstauen – so gut, dass ich oft gar nicht mehr an sie gedacht habe. Die wenigen Bilder, die entstanden sind, haben daher auch keinen direkten Zusammenhang. Mit einem sehr dynamischen Pancro400 B/W Film der Firma Bergger, lieferte sie ansprechende Ergebnisse, auch wenn die Wetterbedingungen im Winter und meine unruhige Hand alles andere als gut waren. Viel Licht heißt jedoch das Zauberwort der Pouva! Starke Schatten mit Kontrasten in einer vielleicht städtischen Umgebung sollten noch mehr aus der Boxkamera herausholen. Ich denke, dass die Pouva-Start besonders bei minimalistischen Bildern ihr volles Potential zeigt und somit einem gewissen „weniger Motiv ist manchmal mehr“ Fototrend sehr entgegen kommt.

 

 

Fazit: Die Pouva-Start ist eine einfache, aber unverwüstliche Kamera, sofern sie nicht für einen internationalen „Pouva-Start Weitwurf-Wettbewerb“ auf Beton missbraucht wird. Durch ihre Einfachheit lädt sie besonders Anfänger zum Experimentieren mit Rollfilm ein. Die Schärfe (ab 1 Meter) ist absolut in Ordnung und auf S/W-Filmen kann sie mehr als gute Ergebnisse erzielen. Der Erfolg dieser Kamera ist, gemessen an ihrer Produktionszeit, schnell nachzuvollziehen. Sie ist auch heute noch sehr beliebt, da sie einen gewissen Dinosaurier-Charme ausstrahlt. Aufgrund ihrer Robustheit und Einfachheit wird sie wohl noch viele Menschengenerationen überleben!

 

 

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